Gut 160 Fotografien der Pressefotografin Marga Kingler werden ab Ende April im Ruhr Museum in der Kohlenwäsche auf Zollverein zu sehen sein. Fotos aus 40 Jahren, die Kingler für die Tageszeitung WAZ aufgenommen hat. 1951, nur drei Jahre nach der Gründung, stieß die damals 20-jährige Fotolaborantin zum Redaktionsteam. In der Ausstellung zu sehen sein werden Porträts, Reportagen sowie Motive aus den Bereichen Politik, Gesellschaft, Kultur, Konsum, Mode, Sport und Vereine aus dem rund 150.000 Aufnahmen umfassenden Nachlass, der sich im Besitz des Ruhr Museums befindet. Fotos aus dem Alltag, die den Abgleich mit der eigenen Lebensrealität leicht machen.
„Mir ist es wichtig bei jeder unserer Ausstellungen Bezüge zur Gegenwart herzustellen“, sagt Stefanie Grebe, Kuratorin und Leiterin der Fotografischen Sammlung und des Fotoarchivs im Ruhr Museum. „Beim Betrachten der Fotos von Kingler geschieht das von ganz allein. Weil man sagt: Ach, guck mal, so sah das damals aus, so war das.“ Zeitungsseiten als Reproduktionen ergänzen die Ausstellung. „Nur die Bilder zu zeigen, ginge am Wesen der Pressefotografie vorbei“, sagt Stefanie Grebe. Viele Fotos wurden für die Ausstellung zudem mit kurzen kontextualisierenden Beschreibungen versehen. Was damals Alltag war, ist heute erklärungsbedürftig geworden. Die Kriegsheimkehrer, die erst in den 1950er-Jahren aus russischer Gefangenschaft zurückkamen, zum Beispiel. Oder die erste Hannovermesse, auf der auch Krupp vertreten war.
Arbeitsalltag
Grundlage ist jahrelange Forschungsarbeit und die Recherche im Haus der Essener Geschichte / Stadtarchiv, wo die WAZ-Zeitungsbände einsehbar sind. Marga Kingler hat nämlich bei Weitem nicht alle Fotos beschriftet. „Ihr Nachlass ist kein lückenloses Archiv“, erklärt Stefanie Grebe. „Das ist typisch für die Pressefotografie. Kingler hatte mehrere Termine am Tag, zwischendurch musste sie in die Dunkelkammer, Filme entwickeln, Arbeitsprints erstellen und ab damit in die Redaktion, wo die Fotos für die Zeitung am folgenden Tag ausgewählt wurden.“ Auch diese Arbeitsprints, die unmittelbar nach Entstehung des Negativs hergestellt werden, sind in der Ausstellung zu sehen. Sie verraten viel über den Arbeitsalltag von Pressefotografinnen und -fotografen vor Einzug der Digitalisierung. Ein Arbeitsalltag, der für Marga Kingler mit Kindern nicht vereinbar gewesen wäre. „Selbst ihren Mann hat sie nur selten gesehen“, sagt Stefanie Grebe.
Sonst keine?
Ob Marga Kingler eine Feministin war? Grebe verneint. Und doch hat Kingler mit ihrer Arbeit ihren feministischen Beitrag geleistet. Hat sie sich doch souverän in einem von Männern dominierten Beruf behauptet. „Es gibt diese Legende, dass es nur Frau Kingler gab und sonst keine“, berichtet Stefanie Grebe. „Wir sind bei unserer Arbeit aber durchaus auf andere Pressefotografinnen gestoßen und auch sie finden in der Ausstellung Erwähnung.“ Sicherlich ist manch eine Pressefotografin noch unentdeckt, ruht manch ein Nachlass irgendwo auf einem Dachboden. Vielleicht ist die Ausstellung Ansatzpunkt für den einen oder die andere, an das Ruhr Museum heranzutreten und von einer Mutter, einer Tante, einer Großtante zu erzählen, die Fotografin war.
So oder so wird das Ruhr Museum sich weiter mit Fotografinnen beschäftigen. In Planung sind Ausstellungen über die Industriefotografin Ruth Hallensleben und die Dokumentarfotografin Brigitte Kraemer. „Die Aufbereitung solcher Nach- und Vorlässe im laufenden Betrieb ist immer schwierig“, sagt Stefanie Grebe. „Umso schöner, wenn wir mit den Ausstellungen Anlässe dafür schaffen. Die tiefergehende Forschungsarbeit auch zu Kingler und Kolleginnen muss dann weiter an Universitäten geschehen. Aber wir haben einen Anfang gemacht.“ Und der lässt sich sehen.