Sie sind hier, weil sie als Zugvögel auf der Durchreise von ihren Brutgebieten in Nordosteuropa zu ihren Winterquartieren in Südwesteuropa unterwegs sind. Ab Oktober bis in den späten November hinein überqueren sie das Ruhrgebiet. Auf ihrer langen Reise brauchen die Vögel „Rastplätze“, um in Ruhe Energie zu tanken. Die dunklen und stillen Robinien- und Birkenwälder der Industriebrachen bieten dafür beste Bedingungen: Wenige Lichtquellen und abgesperrte Bereiche zwischen Zeche und Kokerei sorgen dafür, dass die kleinen Vögel mit den großen Augen und dem braun-gefleckten Federkleid nachts beinahe unbemerkt mit ihren Schnäbeln nach Würmern und Insekten stochern können. Wie bei Eulen oder Fledermäusen beginnt ihre aktive Zeit erst mit der späten Dämmerung.
Doch Vorsicht ist auch auf Zollverein geboten: Fressfeinde wie Marder oder Fuchs streifen umher. Mit ihren seitlich sitzenden Augen erfassen die Waldschnepfen einen Blickwinkel von bis zu 180° und haben damit auch ein Auge auf das, was hinter ihnen liegt. Seit 2021 gilt die Waldschnepfe in NRW als gefährdet. Mancherorts gilt sie immer noch als Delikatesse und wird auf ihrer langen Reise bejagt.
Vom Ruhrgebiet aus geht es für sie zu den Überwinterungsgebieten im Mittelmeerraum oder an der Atlantikküste. Kehren die Waldschnepfen im Frühjahr zurück, brüten sie von März bis Ende Juli. Bevorzugt nutzen sie dabei die feuchten und strukturreichen Stellen in Waldgebieten mit Lichtungen. Hier brüten sie gut getarnt auf dem Boden und errichten ihr Nest in einer kleinen Mulde. Bevor die nächste Generation Waldschnepfen aufgezogen wird, statten die Vögel Zollverein hoffentlich wieder einen Besuch auf ihrem Rückflug ab – eine kurze Verschnaufpause mit einzigartiger Industriekulisse.
Mehr über Pflanzen und Tiere auf dem Welterbe gibt es unter www.zollverein.de/natur
Bilder: Sabine Fabritz und Peter Schütz / Wildes Ruhrgebiet