Seine Kunst besteht darin, die Befindlichkeiten der Menschen vor der Kamera sichtbar zu machen und den Betrachter:innen Menschen in Förderschulen und Psychiatrien würdevoll nahezubringen. Häufig kombiniert er seine Portraits mit Details oder Raumsituationen, die einen weiteren assoziativen Zugang zu den Persönlichkeiten ermöglichen. Obwohl seine Themen, denen er sich langfristig widmet, konkret sind, arbeitet er selten mit Bildunterschriften. Die abgebildeten Personen nennt er lediglich mit ihren Vornamen.
Seine Fotoserien „Geister“ und „Prolog“ entstanden 1994 in der geriatrischen Psychiatrie eines Seniorenstifts in Waltrop. In der Serie „Geister“ arbeitet er in Schwarzweiß mit Bildpaaren, die durch die teilweise abgedeckte Belichtung des analogen Filmmaterials sowie durch das Rückspulen und Neubelichten des Films gezielten Zufälligkeiten ausgesetzt sind. So entstehen überraschende Bilder, in welchen sich die Zeitebenen zu verschieben scheinen. In der Serie „Prolog“ wechselt der Fotograf erstmals zur Farbe und arbeitet mit ungewöhnlichen Ausschnitten und Perspektiven, mit Schärfe und Unschärfe.
Die Serie „Zufügung“ ist in den Jahren 2012 bis 2015 an verschiedenen Förderschulen und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf in Stadtteilen mit hoher Kinderarmut in Duisburg entstanden. Diese poetische Arbeit bringt uns die portraitierten Kinder nicht nur optisch nah, sondern erlaubt uns einen mitfühlenden Blick, der versucht, die Seelenlage der Abgebildeten emotional nachvollziehbar zu machen. So rücken Menschen aus dem Abseits ins Zentrum unserer Wahrnehmung.
Heiko Tiemann, geboren 1968, studierte Psychologie in Münster und Fotografie in Essen und arbeitet seit 2001 als freier Fotograf. Die Zusammenstellung der drei Serien zeigt seine Entwicklung als Vertreter einer aktuellen sozialen Fotografie.
Text: Peter Liedtke